Ernährung · Gartenliebe · Weltrettung

Urban Gardening, Teil 2:
Von wilden Bienen und Balkonien

Mach’s dir und Biene Maja grün

Es sprießt wieder.
Es sprießt wieder.
Bild von congerdesign, Pixabay

Es ist wunderbarster Frühling und wir hocken zu Hause und sitzen die Virenkrise aus. Dabei hungern unsere Herzen geradezu nach Natur und Luft und überhaupt: nach Draußen.

Stillen wir unsere Sehnsucht doch und schenken gleichzeitig Bienen und Hummeln neuen Lebensraum und Nahrung, die sie andernorts verloren haben. Her mit euch, ihr blühenden Balkone! Ihr duftenden Dachterrassen und freudebringenden Fensterkästen!

„Das Leben beginnt mit dem Tag, an dem man einen Garten anlegt.“  Aus China

Als Heimgärtnerinnen und Fensterbrettbepflanzer leisten wir unseren Beitrag zum Erhalt der Insektenvielfalt. Die ist wichtig, denn die meisten Pflanzen, die wir oder unsere Tiere essen, sind vom Bestäubungsdienst fleißiger Bienen, Schwebfliegen oder Schmetterlinge abhängig, nämlich saftige 90 % der Wild- und 75 % unserer Nutzpflanzen.

Ohne Insekten gäbe es weder Erdbeeren noch Tomaten und auch keinen Kakao (schade, Schokolade!).

Sag mir, wo die Bienen sind

Bienendämmerung: Dieses Maisfeld ist für sie eine Lebensmittelwüste.
Bienendämmerung: Dieses Maisfeld ist für sie eine Lebensmittelwüste.
Bild von 12019, Pixabay

Wenn vom Bienensterben die Rede ist, dann geht es nicht etwa um die Honigbiene. Diese staatenbildende Corporate Bee ist fein raus: Zwar leiden die Bestände der 800.000 deutschen Bienenvölker weiter unter der Varoamilbe, aber als Haustiere der Imker haben sie gute Pfleger. Tatsächlich wächst seit Jahren die Zahl der Völker, weil imkern auch in der Stadt immer beliebter wird.

Die Bienen, die massiv unter Druck stehen, sind die Wildbienen: Fast 400 Arten leben in Deutschland, von den gemütlichen Erdhummeln über Mauerbienen bis hin zur winzigen Sandsteppenbiene. Die Hälfte von ihnen steht inzwischen auf der Roten Liste.

Im Gegensatz zur Honigbiene leben 90 % von ihnen nicht in einem Staat, sondern solitär. Sie sind also selbständig, noch dazu oft auf bestimmte Pflanzen spezialisiert und verfügen nur über eine geringe Reichweite bei der Nahrungssuche. Jeder Eingriff in ihr Biotop gefährdet sie.

Es wird still auf weiter Flur

Auch andere Insekten haben es schwer: Seit langem gehen Bestand und Vielfalt spürbar zurück. Das haben viele Studien in den letzten Jahren bestätigt und eine Übersichtsstudie 2019 untermauert (→Studie,  →Einordnung und Zusammenfassung).

Mehr als vier von zehn Insektenarten befinden sich weltweit auf dem Rückzug, 30 % droht das Aussterben. Und wenn es in dem Tempo weitergeht, sind die Insekten vielleicht in hundert Jahren ganz verschwunden.

Gründe für den Insektenschwund
Gründe für den Insektenschwund
Grafik: Bartz/Stockmar, CC BY 4.0, Insektenatlas 2020

Dass es weniger summt, brummt, krabbelt und kriecht um uns herum, hat auch Auswirkungen auf den Rest der Nahrungskette: Nagern, Fischen und Reptilien, die sich von Insekten ernähren, knurrt der Magen. Die Zahl der Feldvögel ist hierzulande drastisch eingebrochen.

Falls die Insektenpopulation ganz kollabieren sollte, wird die ausbleibende Bestäubung zu Ernteverlusten auf unseren Feldern führen. Hinzu kommen Probleme mit verrottenden Kadavern, denn Insekten spielen eine wichtige Rolle bei ihrer Zersetzung.

Als Hauptgrund für den Insektenschwund machen Wissenschaftler den Nahrungs- und Lebensraumverlust aus: Mehr und mehr Fläche wird von intensiv bewirtschafteter Monokultur, Viehzucht und den wachsenden Städten beansprucht.

Wir zerschneiden Biotope mit Straßen, Bebauung und öden Äckern, die für Insekten große Hindernisse darstellen und weder Nahrung noch Heimat bieten.

Weitere Gründe sind die Auswirkungen der Klimakrise, der Einsatz von chemischen Insektenschutzmitteln und Dünger sowie eingewanderte Arten, die den Konkurrenzdruck erhöhen.

Du und die Rettung der Flugscharen

Fleißige Bienchen brauchen bunte Blumenmeere, Menschen brauchen fleißige Bienchen. Also raus auf den Balkon, so du dich glücklich schätzen kannst, diese kleine, feine Wohnzimmererweiterung zu besitzen, oder bepflanze Fensterkästen, den Haus- oder Vorgarten, das Dach, den Erker. Tob dich aus! Und falls du Platzprobleme hast, versuch dich doch am vertikalen Gärtnern und begrüne hoch hinaus!

Bleibt die Frage, womit. Am besten sind einheimische, regionale Wildpflanzen, die verschiedene Blühzeiten haben, damit das ganze Jahr über Nahrung da ist. Vielfalt zählt. Und du solltest darauf achten, dass die Blüten nicht gefüllt sind, also der Weg zum Stempel und damit dem Pollen versperrt ist (was zum Beispiel bei den meisten Zuchtrosen der Fall ist).

Balkonglück für Bienen: Biene auf Sonnenblume
Balkonglück: Biene auf Sonnenblume.
Bild von Meande.

Wundervoll eignen sich Blumen wie Akelei, Lupine, Wilde Malve, Sonnenblume, Astern oder Goldlack. Die Königskerze allein ernährt schon 80 verschiedene Insektenarten!

Oder wie wäre es mit Löwenmäulchen und Verbene, mit Männertreu oder Wandelröschen? Allein wegen den Namen würde ich die schon in die engere Auswahl nehmen. Und natürlich Borretsch und Kapuzinerkresse, denn die sehen nicht nur toll aus, sie schmecken auch im Salat.

Heil- und Küchenkräuter tun nicht nur Bienen gut, sondern auch dir. Wähle zum Beispiel Thymian, Oregano und Rosmarin, Minze, Schnittlauch und Zitronenmelisse, Lavendel, Basilikum und Koriander, Salbei, Schafgarbe, Ringelblume, Klee für dein Kräuterbeet im Topf.

Vielleicht darf es sogar Gemüse sein? Kleine runde Möhren oder auch Buschbohnen lassen sich gut auf dem Balkon ziehen. Und eine Sammlung hilfreicher Wildpflanzen hat Filipa Lessing hier für die Wochenzeitung Die ZEIT zusammengetragen, darunter Mauerpfeffer, Mädesüß und Teufelsabbiss.

„Ich steh manchmal in meinem Blütenmeer und um mich rum summt es einfach nurAlso das ist jeden Tag einfach wunderschön und Balsam für die Seele.  – Stefan Behr, Hobbygärtner, im Interview mit dem NDR, 00:31

Wie du deine neuen Schützlinge pflegst und weitere wertvolle Tipps rund ums insektenfreundliche Gärtnern findest du beim Netzwerk Blühende Landschaft. Bio-Saaten erhältst du in deinem gut sortierten lokalen Bioladen oder online, z.B. bei Rankwerk.

Famose Fensterfarmen fürs Binnengrün

Hast du überhaupt keine Möglichkeit, dein Grün draußen zu pflanzen, dann hol es dir ins Wohnzimmer: Mit einer hydroponischen Windowfarm kannst du Salate, Kräuter und mit etwas Gärtnerglück sogar Erdbeeren am Fenster ziehen. Die Systeme kannst du im echten Maker Spirit einfach selbst bauen (Anleitung 1, Anleitung 2).

TED: Britta Riley. A Garden in my Apartment (Englisch, 2011)*:

*Hinweis: Britta Riley ist nicht mehr „im Geschäft“, ihre Website verwaist. Tatsächlich ist es sogar ein Rätsel, wohin Britta verschwunden sein mag. Ihre Ideen haben nichts von ihrer Strahlkraft verloren.

Der klare Nachteil deiner Fensterfarm: Weil sich dabei alles drinnen abspielt, haben Insekten es schwer, an deine Pflanzen ranzukommen. Es sei denn, du lässt das Fenster offen in der Hoffnung, dass sie sich hineinversumsen.

Das heißt, die schönen Erdbeerblüten mit ihren süßen Versprechungen musst du mit dem Pinsel selbst bestäuben. Die wilde Maja geht leer aus. Vielleicht kannst du ihr als kleine Wiedergutmachung eine Badewanne vors Fenster hängen oder findest am Haus ein Fleckchen für ein kleines Insektenhotel (siehe unten).

„Ich hab früher ganz viel Meditation gemacht, heute mach ich Gartenarbeit.“ – Stefan Behr, Hobbygärtner, im Interview mit dem NDR, 00:35

Was du sonst noch für Bienen & Co tun kannst

Wildwuchs macht nicht nur Bienen glücklich.
Wildwuchs macht nicht nur Bienen glücklich.
Bild von Jasmin_Sessler, Pixabay

Insektenhotel: Schon ein kleiner Eimer voll Sand hilft den Wildbienen. Besser sind Hartholzblöcke mit Löchern in unterschiedlichen Größen, die du kaufen oder selbst basteln kannst.

Aber Vorsicht: Die Löcher dürfen keine Späne enthalten, das kann die Tiere verletzen. Mehr Infos beim NDR: Das lockt Wildbienen und Co, 04:22.

Mini-Badewanne: Gerade an heißen Sommertagen – und die beschert uns die Klimakrise gerade am laufenden Band – haben es Insekten nicht leicht, Wasser zu finden. Mit einem selbstgebastelten Pool im Kleinformat können sie planschen und sich abkühlen. Und du gewinnst einen Hot Spot fürs Beobachten.

Kauf bio: Unterstütz die Biolandwirtschaft, die weder Pestizide noch Herbizide spritzt.

Mahd ade: Verzichte aufs Rasenmähen oder lass ein Stück verwildern, um Insekten Schutz und Nahrung zu bieten. Setz dich bei deiner Kommune dafür ein, Wildwiesenstücke auf Stadtgrün und Randstreifen zu erhalten.

 

Und jetzt viel Spaß beim Gärtnern! Wenn du magst, poste deine blühenden Landschaften – gerne auch mit Biene – als Kommentar zu diesem Beitrag auf Instagram, Facebook oder Twitter#flowerpowerbeelove

 

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