Den ganzen Hype um Achtsamkeit mal beiseite: Was passiert, wenn wir viele Monate lang, jeden Tag, einen Teil unserer Zeit damit verbringen zu meditieren, oder besser gesagt: es zu üben (siehe unten)?
Wenn wir uns also Tag für Tag 5, 10 oder 30 Minuten auf unseren Atem konzentrieren, nach innen blicken, die Gedanken wie Wolken an uns vorüberziehen lassen?
Ich habe es ausprobiert. Ich bin sogar immer noch dabei, und ich glaube, ich werde es noch eine ganze Weile tun, mir diese kleine Auszeit von allem nehmen, jeden Tag.
Ich bin nicht die erste, die darüber schreibt, und werde nicht die letzte sein. Was also kann ich dir berichten, das du nicht schon weißt? Meine persönliche, ganz eigene Sicht darauf. Ich möchte dir meine Erfahrungen auf den Weg geben, damit sie dir auf deinem helfen.
Doch am Ende ist Meditation für jeden von uns anders. Du wirst sicher mit ganz anderen Hindernissen konfrontiert und erlebst andere Aha-Effekte. Ich bin gespannt, wie es bei dir läuft, falls du bereits meditierst oder es versuchen willst.
Meditieren ist keine Kunst, die wir meistern – es ist ein Lernprozess, der nicht endet
Wenn es nicht auf Anhieb so klappt, wie du erwartest: Verzage nicht. Im Gegenteil. Wie Yoga ist auch Meditation eine Praxis, etwas, das wir üben. Das Ziel ist nicht, uns einen ruhigen, disziplinierten Geist anzutrainieren, der über alles erhaben scheint.
Es gibt gar kein Ziel. Wir üben uns darin, allem, was wir in diesem Augenblick in unserem Geist antreffen, voller Neugier und Wohlwollen zu begegnen.
Jeder Tag ist anders. Mal schwirren die Gedanken fröhlich und aufgeregt wie Schmetterlinge umher, am nächsten liegt vor mir ein klarer See, auf dessen Ufer, ganz leis, sanfte Wellen treffen. Und am dritten Tag bricht ein Hagelschauer über mich herein, alles prasselt laut durcheinander, es ist dunkel und wirr.
Jedes Mal ist neu. Jedes Mal beginnen wir wieder von vorn. Und wenn wir den Faden und uns in Gedanken verlieren, kehren wir ganz gelassen zurück zu unserem Atem. Immer wieder. Und wieder. Diese geistige Muskelübung ist es, was Meditieren ausmacht.
Körper und Geist sprechen viel zu selten miteinander
Ich bin ich ruhiger geworden durch die Praxis. Ich erkenne, wenn ich mich in Schleifen verliere, und es gelingt mir oft, sie einfach hinter mir zu lassen.
Ich kann mich besser und länger konzentrieren als früher. Wenn ich emotional aufgewühlt oder fahrig bin, achte ich auf meinen Atem, um mich zu beruhigen. Das funktioniert nicht immer, aber immer häufiger.
Zu Beginn meiner Übung wandere ich im Geist durch meinen Körper. Diese innere Reise hat beide stärker miteinander verknüpft. Ich spüre mich jetzt deutlicher.
Ich habe durch meditieren auch gelernt, meine Gefühle besser zu erkennen und mir ehrlich auf die Frage antworten zu können, wie es mir gerade geht.
Ade zum Ich, hallo Selbsterkenntnis
Wer meditiert, nimmt sich selbst irgendwann weniger wichtig. Das klingt widersinnig: Ich besinne mich mehr auf mich selbst und doch verabschiedet sich das Ich in den Hintergrund?
Ja. Weil ich lerne, einen Schritt zurück zu machen und so aus meiner eigenen Geschichte hinaustrete, diesem Ich-Gestrick und Ego-Gespinst aus „So bin ich“ und „Das habe ich schon immer so gemacht“ und „So sehe ich das nun einmal“ und „Ich kann, ich soll, ich muss …“.
Kaum, dass ich im Hier und Jetzt stehe und sehen kann, was wirklich da ist, ist mein Ich mit seiner Vergangenheit und seiner Zukunft nicht mehr ganz so wichtig. Für die nächsten 5, 10 oder 30 Minuten jedenfalls.
Weiterlesen
- Die ZEIT, Mechthild Klein: Hör mir auf mit Achtsamkeit! – Ein kritischer Blick auf den Hype um Achtsamkeit und Meditation von der ZEIT.
- Die ZEIT, Jürgen von Rutenberg: Buddha to go – Über Meditations-Apps.
- The Guardian, Amy Sedghi: Seven ways to start meditating (Englisch)
- The Guardian, Oliver Burkeman: Meditation: how to make yourself sit down and do the damn thing (Englisch)